Schön ist das Wetter heute nicht, als ich aus dem Auto aussteige. Ja, aus dem Auto! Heute geht es mal zu Fuß durch die Lande. In Strausberg bin ich schon wenigstens achtzehn Jahre nicht gewesen; eine Verabredung hat mich hierher gelotst – ich wäre sonst nicht hierher gekommen. Bis zu meinem Treffen ist noch eine Menge Zeit, deswegen beschließe ich einen Stadtgang zu unternehmen. Ich nehme mir vor, nicht das Touristenprogramm abzuspulen, sondern die Stadt auf mich wirken zu lassen.
Auf der Wriezener Straße gehe ich an der inzwischen geschlossenen Turn- und Festhalle (1) vorbei zur Seehaussiedlung (2). Die Mehrzweckhalle ist seit 2010 wegen Baufälligkeit geschlossen. In dieser Halle soll 1961 der Prozess um die Gruppe des später durch spektakuläre Aktionen im Zusammenhang mit den an der DDR-Grenze montierten Selbstschussanlagen bekannt gewordenen Michael Gartenschläger stattgefunden haben.
Die Seehaussiedlung ist mir im Vorbeifahren durch eine große Bautafel aufgefallen: hier finden zurzeit Sanierungsarbeiten in und um die der Wohnungsbaugenossenschaft “Ausbau” eG gehörenden Siedlungshäuser statt. An der Wriezener Straße kann man schon Erfolge der Sanierung bewundern, zwischen den Häusern schlittere ich – wie einst Hans Jürgen Bäumler auf dem Eis – durch den von Baggern aufgewühlten Schlamm.
Auf bei diesem Wetter halsbrecherischen Pfaden gelange ich auf die Badstraße, die übrigens auch als Fahrradroute ausgezeichnet ist, was ich erfreut vermerke. Bald erreiche ich einen schönen Platz (3) zum Verweilen am Straussee – leider spielt das Wetter nicht mit.
Ich gehe nun in Richtung Innenstadt, passiere den “Boulevard” Große Straße (4) und bin erstaunt, wie viele leerstehende Geschäfte es hier gibt. An den Wänden eines vermutlich ehemaligen Geschäftsgebäudes – vielleicht eine Kaufhalle – ist aus den Graffiti zu ersehen, dass man sich über eine zukünftige Nutzung von Flächen in Strausberg City nicht ganz einig ist.
Den Markt lasse ich zunächst einmal liegen und gehe direkt zur Marien-Kirche (5). Ich habe Glück: die Tür ist offen, und als ich in das Kirchenschiffe trete, stelle ich fest, dass gerade eine Führung für eine geschlossene Gesellschaft stattfindet. Ich stelle mich einfach dazu. Vor der Marienkirche befindet sich eine Gedenktafel an den Komponisten Hugo Distler.
Distler ist wohl der bedeutendste evangelische Komponist und Kirchenmusiker, der seine letzten Lebensjahre in Strausberg verbracht hat.
Beim Gang durch die Georg-Kuntze-Straße bewundere ich die vielen schön restaurierten, alten Stadthäuser, muss aber auch etliche Stellen wahrnehmen, die sich einer Sanierung, Restaurierung oder gar einem Wiederaufbau verweigert haben. Das wundert mich, da inzwischen so viele Jahre seit der Wende vergangen sind.
Von der Stadtmitte aus ist es ein Katzensprung zur Straussee-Fähre (6). Interessant ist, dass die Fähre elektrisch betrieben wird und ihre elektrische Energie durch eine Oberleitung erhält. Wenige Schritte davon entfernt befindet sich das Freibad Strausberg (7); es hat einen leichten Touch ins Historische…
Weiter gehe ich am See entlang und habe – trotz des schlechten Wetters – manch schönen Blick auf die Stadt. Bald gehe ich zurück in die Innenstadt zum Lustgarten um noch einen Blick auf die Stadtmauer (8) zu werfen. Ich verfolge den östlichen Teil der Stadtmauer und entdecke an der Giebelwand einer Siedlung ein witziges Wandgemälde (9).
Inzwischen ist es Zeit für mein Meeting geworden. Ich gehe nun noch auf den Markt (10), schaue mir das klassizistische Stadthaus (11) an und begebe mich in die Milchbar (12) am Markt zu meiner Verabredung.