Lerbäck nach Regna
Länge der Etappe: | 63 |
Wegbeschaffenheit: | Asphaltstraßen, meist Schotterstraßen |
Höhenprofil: | |
Unterkunft: |
STF Regna VandrarhemRegna Kyrkby, Regnagården 47, |
Unsere nächste Etappe gestaltet sich bei bewölktem Himmel und mäßiger Temperatur um 16° C zunächst recht angenehm, bis wir erstmalig auf eine richtige Schotterstraße in den Wald abbiegen. Hier beginnt das Ende der Zivilisation. Wir haben nun alle größeren Orte hinter uns gelassen und können Natur pur genießen – einschließlich der angriffslustigen Mücken. Das ist auch recht schön, da wir an vereinzelten Bauergehöften und bilderbuchartigen Ferienhäuser im klassischen Schwedenrot und – das ist die Höhe – romantisch an einem stillen See gelegen (Inga Lindström lässt grüßen 😉 ) vorbeifahren. Nicht so schön ist es, dass uns mitten im Wald auf der Schotterstraße einige Autos mit relativ hoher Geschwindigkeit entgegen kommen und dabei den Rollsplit großzügig um sich herum verteilen, sodass wir von Glück reden können, von keinen Steinchen getroffen worden zu sein. Nach einiger Zeit erreichen wir das Dorf Hjörtkvarn, dessen Friedhof mit den imposanten Grabsteinen wir bewundern.
Erstaunt stellen wir fest, dass wir es nicht mehr so weit bis zu unserem heutigen Tagesziel haben; wir beschließen spontan, einen ordentlichen Umweg zu fahren. Diese Entscheidung war nicht verkehrt! Soll sich später herausstellen.
Nun fahren wir auf einer ruhigen Landstraße nach Norden und passieren hochherrschaftliche, schlossähnliche Gutshäuser und Gestüte und gelangen schließlich in den Ort Brevens Bruk. Den hatten wir ursprünglich nicht in unserem Fahrtenprogramm.
Der verschlafene Ort mitten in den Wäldern des Örebro Län ist ein Denkmal für die schwedische Eisendustrie. Hier findet man noch die 1864 erbaute Schmelzhütte und einen Hochofen. Leider waren wir nicht zur rechten Zeit am rechten Ort, sodass wir nicht an einer Führung teilnehmen konnten.
Dafür hatten wir ein anderes einschneidendes Erlebnis: An der Dorfstraße entdeckten wir ein Café, das auch Kunsthandwerk zum Verkauf anbot. Das ist natürlich interessant, auch war es an der Zeit, etwas Warmes in den Magen zu bekommen. Wir bestellen Kaffee und sehen uns im Laden um – alles nostalgischer Kram aus Omas Nachlass. Der Kaffee ist eingeschenkt, beim Bezahlen stellt sich heraus: Hier kann nur bar bezahlt werden; keine Karten, kein Nichts. Unser altes, wertloses Bargeld von der letzten DIenstreise findet kein Gefallen – ich stelle mich Kopf – nichts geht. Schließlich schenkt uns die Ladeninhaberin den Kaffee, was mir sehr peinlich ist. Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass sie einen deutschen Migrationshintergrund hat; sie versteht uns recht gut, spricht aber nur bruchstückhaft deutsch. Nun, ja. Wir nehmen das Geschenk dankend an, müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die viel beschworene Bargeldlosigkeit in Schweden noch nicht überall umgesetzt ist – vor allem nicht mitten im Wald.
Von Brevens Bruk nach Regna müssen wir erst einmal einen Landrücken überwinden. Stetig bergauf auf einer wenig befahrenen Schotterstraße mit Tiefsand-Einprengseln, nachher bei gleicher Oberfläche bergab… noch vor der offiziellen Öffnungszeit des Wandererheims in Regna erreichen wir den Ort. Hier ist wirklich tote Hose! Wir setzen uns auf eine Bank auf dem die Dorfkirche umgebenden Friedhof und verspeisen Müsliriegel. Das passt zum Ambiente.
Zur Öffnungszeit treffen wir den Herbergsvater, der uns unser Zimmer zuteilt. Ein Zweibettzimmer mit Dusche und Toilette auf dem Gang. Zum Glück sind nur ganz wenige Gäste anwesend, die zudem am anderen Ende des Gebäudes Zimmer bezogen haben und sich dort die Sanitäranlagen teilen müssen. Der Chef des Hauses ist aber ganz locker – in unserem Alter und scheint sich in der Jugend auch die eine oder andere Tüte reingezogen zu haben – und gibt sich wirklich große Mühe, um uns auch ein warmes Abendbrot zu servieren. In diesem Zusammenhang lernen wir auch seine Lebensabschnittsgefährtin kennen, die ziemlich gut deutsch spricht. Das Abendessen ist ok. Typisch schwedisch angekündigt könnte es auch meiner Spontanküche entsprungen sein.
Regna ist so was von toter Hose, dass wir am Abend noch einen Spaziergang in und um das Dorf unternehmen. Der Herbergsvater begegnet uns und verrät uns den Geheimtipp: Auf dem Gelände des Heimatmuseums am Dorfrand befindet sich eine Freiluftbühne, auf der ABBA erstmals öffentlich aufgetreten sein sollen (vor dem Grand Prix – Erfolg). Gut, wir glauben das mal… Anschließend interpretieren wir die unterschiedlich farblichen Schildchen auf den Gräbern des Friedhofs als Pflegehinweise. So kann man einen Abend sehr angeregt verbringen.
Die spartanische Ausstattung des Zimmers hindert uns nicht, schnell einzuschlafen – im Gegenteil: schnell gelangen wir ins Reich der Träume, werden aber ziemlich früh am Morgen durch plätschernden Regen geweckt.
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